Die ersten großen und nachhaltigen Schäden an den Pinguinpopulationen verursachte nicht die kommerzielle Jagd auf Pinguine sondern die Guanoindustrie.
Alexander von Humboldt, der berühmte deutsche Naturforscher, der besonders Südamerika ausgiebig
bereiste, pries in seinen Reisetagebüchern die Eignung von Guano als Düngemittel und
sein Bruder sorgte in Berlin dafür, dass die Öffentlichkeit davon Kenntnis erlangte. Guano wird
der Vogelkot von fischessenden Seevögeln genannt, der sich über Jahrhunderte an den bevorzugten
Brutplätzen dieser Vögel angesammelt hat. Anfang des 19. Jahrhunderts türmte sich der Guano in
meterdicken Schichten entlang der Küste auf und diente Vögeln als Brutplatz. So zum Beispiel auch Humboldtpinguinen,
Galápagospinguinen
oder Brillenpinguinen, die ihre Bruthöhlen in den weichen Guano gruben, um ihre Küken vor der
Mittagshitze oder Feinden zu schützen. Solche Guanoansammlungen fanden sich ausschließlich dort,
wo viele tausend Seevögel leben und wo Regen so selten war, dass er keine nennenswerten Mengen
ihres Kots wegwaschen konnte. Das galt besonders für die Küsten von Peru und Chile, aber auch
für Südafrika oder Tasmanien.
Schon lange vor den Europäern nutzten die Inkas in Südamerika Guano, um den Ertrag ihrer
Felder zu steigern. Der Vogelkot von Vögeln, die sich hauptsächlich von Fisch ernähren,
enthält nämlich außergewöhnlich viel Mineralien, Phosphate und Nitrate, die die Vögel mit ihrer
Nahrung aufnehmen. Diese Stoffe werden von Tiefseeströmungen aus dem Meeresboden gewaschen
und im Wasser gelöst und können so von pflanzlichem Plankton aufgenommen werden.
Durch viele Zwischenkonsumenten gelangen die Mineralien, Nitrate und
Phosphate schließlich auch in den Fisch, der wiederum
von den Seevögeln gefressen wird. Ihre Ausscheidungen enthalten
damit einen Teil der
über die Nahrung aufgenommenen Stoffe.
Pflanzen brauchen zum Wachstum viel Stickstoff und Mineralien, die sie
dem Boden entziehen. Wird der Boden nicht gedüngt, dann fällt der Anteil
dieser Mineralien im Boden nach einigen Fruchtfolgen ab, womit der Ertrag der
nächsten
Aussaat sinkt. Während man sich in Europa während des Mittelalters mit der Dreifelderwirtschaft
behalf, Mist auf die Felder aufbrachte und Brachezeiten einführte, die der Bodenauslaugung weitgehend
vorbeugten, bauten die Inkas
in Peru bereits Guano ab und düngten ihre Felder damit. So ersetzten sie
künstlich die Stickstoffverbindungen und Mineralien im Boden, die der Anbau
von Kulturpflanzen zuvor verbraucht hatte. Dies geschah allerdings auf eine
nachhaltige Weise, die eine Regeneration des Guano-Bestandes zuließ.
Anders als die Inkas, dachten die Europäer und Amerikaner in wesentlich größeren Maßstäben. Die
beginnende Industrialisierung in Europa hatte Anfang des 19. Jahrhunderts ein rapides Bevölkerungswachstum
zur Folge und die Erträge der Landwirtschaft blieben deutlich hinter dem Bedarf an Nahrungsmitteln
zurück. In dieser Situation besann man sich Alexander von Humboldt und der Feststellung, dass Guano
als Dünger sehr geeignet sei. Tatsächlich trug der in den Norden verschiffte Guano dazu bei, die
Erträge und die Profitgier zu steigern. Unter meist menschenverachtenden Arbeitsbedingungen bauten
hauptsächlich Indios in Peru und Chile das weiße Gold ab und verluden es auf große Frachter, die es nach Nordamerika oder Europa
verschifften. Ab 1830 setzte der Guanoabbau schrittweise ein und erreichte immer größere Maßstäbe.
Der Abbau von Guano - über Jahrzehnte das wichtigste Exportgut von Südamerika - wurde kontinuierlich
intensiviert.
Zwischen 1850 und 1870 wurden allein aus Peru 30 Millionen Tonnen Guano nach Europa verschifft und
brachten dem Land insgesamt 2 Milliarden Dollar ein.
Als Folge dieses Raubbaus trat das unvermeidliche ein: Der Guano wurde schneller abgetragen, als
er sich erneuern konnte - mit fatalen Folgen für die Pinguinkolonien. Über viele Jahre, war die
Guanoschicht von den Pinguinen dazu benutzt wurden, ihre Bruthöhlen hineinzugraben, die sie und
ihre Küken vor der sommerlichen Hitze und vor Feinden schützten. War der Guano erst einmal abgetragen,
dann blieb darunter nur der blanke Fels zurück. So mussten die Pinguine ihre Nester überirdisch
anlegen und die Erfolgsquote bei der Jungenaufzucht sank drastisch. Insgesamt litten alle
Populationen der im Guano brütenden Pinguine deutlich unter der Düngergewinnung. Obwohl der Guanoabbau
seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Peru und Chile verboten ist, führten nicht Verbote sondern vielmehr
die Erfindung von Kunstdünger und das Absinken der Guanoausbeute unter ein wirtschaftlich lohnendes Maß
zum weitgehenden Stopp der weltweiten Guanoausbeutung.
Dennoch hat die Population der Pinguine, die auf den Guano als Platz für ihre Bruthöhlen angewiesen
waren, unter dem Guanoabbau sehr gelitten und leidet immer noch darunter. Denn der Guano regeneriert
sich nur sehr sehr langsam und wird durch vermehrte Regenfälle, die sich durch die Klimaveränderung
ergeben noch zusätzlich ausgewaschen. Mittlerweile versucht man durch künstliche
"Bruthöhlen" aus Kunststoff,
die zu Hunderten in gefährdeten Kolonien aufgestellt werden, den Bestand dieser Arten wieder zu vergrößern,
jedoch stellt sich ein Erfolg nur langsam ein. Es wird wohl noch viele Jahre dauern, bis der Bestand
an Galápagospinguinen von derzeit 1200 Tieren wieder auf die geschätzten 40000 Tiere angewachsen ist,
die es im Jahr 1800 gegeben hat. Auch bis die 2900 - 3200 heute frei lebenden Humboldtpinguine ihren einstigen geschätzten Bestand von
über 150000 Tieren wieder erreicht haben, wird noch viel Zeit vergehen müssen.