Mit Beginn des 20. Jahrhunderts fanden die meisten groß angelegten Pinguinjagden
durch abnehmende
Bestände und sinkende Profite ein Ende, doch sicherer wurde das Leben für die Pinguine dadurch
noch lange nicht. Die Polarforschung wurde für die Groß- und Kolonialmächte zum Prestigeprojekt
und viele Expeditionen wurden in die Gegend der Antarktis geschickt, um ihr Land zu vertreten und
dort zu forschen. Nicht wenige dieser Expeditionen bedienten sich Pinguinen und ihren Eiern als
Nahrungsmittel - für sich selbst und für die mitgebrachten Schlittenhunde. Auch der Eignung von Pinguinen als
Feuerholz entsannen sich diese Expeditionen.
Im Jahr 1902 überwinterte der Geologe Dr. Otto Nordenskjold mit einer kleinen Gruppe von Forschern
an der Ostküste der Antarktis. Obwohl das Töten von Pinguinen als abscheulich und
widerlich hinstellte,
erlegten und kochten er und seine Crew während des Überwinterns mehrere hundert Pinguine.
In seinen Tagebüchern sind Rezepte für eine Reihe von Pinguingerichten vermerkt:
Gesalzener Pinguin, kalter Pinguin mit Sardinen, kalter Pinguin mit Nudeln, Pinguingulasch mit
Käsesoße, Pinguinbrust in Teigkruste oder Reis sowie Pinguinreste mit getrocknetem Gemüse.
Nicht nur Dr. Otto Nordenskjold, sondern auch Kapitän Larsen, der mit seinem Schiff
Antarctica 1903 Schiffbruch erlitt und mit 19 Mann seiner Crew auf Paulet Island
überwintern musste, bediente sich Pinguinen:
"Als wir ein Lager gefunden hatten, legten wir
uns einen Nahrungsvorrat auf Kosten der Pinguine und Robben an. Der Fang am ersten Tag war ziemlich
gut: 326 Vögel. Der Tag darauf war sogar noch besser: 508. Wir töteten insgesamt 1100 Pinguine,
damit wir nicht zu hungern brauchten."
Auch auf anderen Schiffen, zum Beispiel an Bord der
Belgica, die 1898 in der Antarktis
überwinterte, waren Pinguine als Nahrungsmittel und für sonstige Zwecke gefragt.
Dr. Frederick Cook, der Schiffsarzt, der im antarktischen Eis in der Nähe der
Belgica überwinterte
beschreibt den Geschmack von Pinguinen wie folgt:
"Sein Geschmack kann wohl am Besten als Kombination aus Rindfleisch,
Kabeljau und Ente beschrieben werden, die in in einer Blut und Lebertransoße gedünstet worden ist."
Die Crew der der
Belgica aß Pinguin kalt, paniert, gedünstet, frittiert oder in Teighülle,
machte aber auch Mützen, Taschen und Schuhe aus Pinguinhaut. Im Frühjahr, wenn die ersten
Eier der Adéliepinguine gelegt wurden, dann sammelte die Crew auch Pinguineier. Auch die
Crew der
Southern Cross griff während der Überwinterung 1899 auf Pinguinfleisch und Eier
zurück. Der Expeditionsleiter Carsten Egeberg Borchgrevink schreibt dazu 1904 in
Das Festland am Südpol:
"In einer halben Stunde sammelten die zwei Finnen 435 Pinguineier für
unsere Vorräte".
Auch Jean-Baptiste Charcot, der sich im Jahr 1908-1910 an Bord der
"Pourqoui Pas" reiste, schrieb
in sein Tagebuch:
"Chollet und zwei andere Besatzungsmitglieder umrundeten die Insel in einer kleinen
Pineasse. Sie kamen nur an wenigen Robben vorbei, was sehr beunruhigend ist. Wir benötigen
Öl um unsere Kohlevorräte zu schonen, die ich nur spärlich zu benutzen gedenke. Außerdem hätte
ich gerne einen ordentlichen Vorrat an Fleisch für den Winter angelegt. Die armen Pinguine
werden wohl die ersten sein, die darunter zu leiden haben, weil wir so einige Hundert von ihnen
opfern müssen. Ich hasse diese Massenschlachtungen, aber in unserer Situation haben wir keine
andere Wahl. Es ist mir darüber hinaus noch unerträglicher, weil diese Tiere höflich und harmlos sind."
Auch ein ehemaliger Mitarbeiter von Jean-Baptiste Charcot, Raymond Rallier du Baty, der 1908 die Kergulen Inseln
kartographierte, schrieb über
Pinguine in seinem Tagebuch:
"Wir mussten einige arme Vögel töten, weil wir Nahrung brauchten, ihr
Fleisch schmeckte nicht schlecht und es half auf jeden Fall unseren Hunger zu stillen."
Aber nicht nur Raymond Rallier du Baty ordnete die Schlachtung von Pinguinen an, auch
der berühmte Antarktisforscher Sir Ernest Henry Shackleton schlachtete sie, als der nach dem Untergang seines
Schiffes
Endurance im Jahr 1917 im Weddell Meer mit seiner Mannschaft auf Elephant
Isle mehrere Monate ausharren musste. Er schlachtete Pinguine zum Verzehr und verfeuerte
sie auch, zog aber noch einen weiteren bemerkenswerten Nutzen aus den getöteten Pinguinen:
"Wenn wir
gelegentlich das Glück hatten, unverdauten Fisch im Pinguinmagen zu finden, kochten wir diesen in einer
alten Dose auf dem Ofen."
Auch als Mitte des 20.Jahrhunderts weniger die Gegend selbst, sondern die dort heimische Tier
und Pflanzenwelt in den Mittelpunkt der Forschung rückte, änderte sich an dem Verbrauch an
Pinguinen wenig. So sammelte im Jahr 1948 der Wissenschaftler Dr. William Sladen in Pionierarbeit
Forschungsergebnisse über Adéliepinguine. Seine Forschungen waren die ersten ausführlichen und langwierigen
Arbeiten auf dem Gebiet der Adéliepinguine und die erste genaue Beschreibung und Beobachtung der Art.
Außer bis dahin einzigartigen Einblicken in den Brutzyklus der Adéliepinguine und anatomischen
Studien, fand Sladen heraus, dass sich die Pinguine hervorragend als Hundefutter für seine
Schlittenhunde eigneten. Im Laufe seiner Forschungen verfütterte er zwischen 2000 und 2400
Adéliepinguine an seine Hunde.
Da Pinguine neben Robben das einzige Frischfleisch waren, dass den Männern auf den
Forschungsstationen der Antarktis und subantarktischen Inseln während der Isolation
im Winter zur Verfügung stand, wurden sie auch noch in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts gejagt und verzehrt. Raoul Desprez, der für die Verpflegung einer französischen
Polarexpedition ins Adélieland von 1950 bis 1952 verantwortlich war, berichtet von verschiedenen Zubereitungsweisen
von Pinguin. Adéliepinguine waren klein und sehnig, weshalb nur die Brust zur Zubereitung
geeignet war. Diese aß man am liebsten mit Reis und einer Currysoße, so der Koch weiter.
Kaiserpinguine hingegen eigneten sich gut für Fleischspieße oder als Steaks. Hierzu wurden
meistens Kartoffeln gereicht. Zu Beginn der Brutsaison wurden dem Team auch Eier serviert - als
Omeletts oder als Spiegeleier, außerdem als Rührei oder als gekochtes Frühstücksei.
Der Koch beziffert den Verbrauch der Expedition auf 1100 Adéliepinguine, 250 Kaiserpinguine
und 600 Eier.
Noch bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, jagten auch russische Polarforscher
regelmäßig Pinguine, wenn auch hier keine Zahlen aufzufinden sind.
Zur selben Zeit verfütterten Forscher auf der argentinischen Station
Esperanza nach
wie vor Pinguine an ihre Schlittenhunde.
Erst unter dem zunehmenden Druck der Öffentlichkeit und von Naturschutzorganisationen wurden
die Pinguine Anfang der 90er Jahre weitgehend unter Schutz gestellt und die Jagd verboten.
Dennoch endete damit die Bedrohung der Pinguine durch die Forschung nicht. In der zweiten
Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte sich bei vielen Anrainerstaaten und sonstigen auf
die Antarktis oder Teile davon Anspruch erhebenden Staaten die Auffassung durch, dass
nur der Bau von ständigen Polarstationen diesen territorialen Anspruch dauerhaft festigen könnte.
Obwohl die territorialen Ansprüche auf die Antarktis seit 1961 auf Eis liegen, haben viele
der Unterzeichnerstaaten des Antarktisvertrages seitdem ihre Präsenz in der Antarktis kontinuierlich
ausgebaut - nicht
nur, aber auch zum Zweck der Festigung erhobener territorialer
Ansprüche für den Tag, an dem der Antarktisvertrag auslaufen wird.
Viele der Polarstationen, die seitdem in der Antarktis gebaut oder ausgebaut wurden, befinden
sich an den wenigen Stellen der antarktischen Küste, die im Sommer eisfrei sind, wie einige
Buchten der Antarktischen Halbinsel. Allerdings handelte es sich bei diesen Stellen auch um
die wenigen Plätze an denen beispielsweise Adéliepinguine im Sommer brüten
konnten. Meistens mussten nämlich die seit
Jahrhunderten existierenden Kolonien den Polarstationen weichen.
Für ihre Forschungsstation "Dumont-d’Urville" auf der Petrel-Insel bauten beispielsweise die Franzosen eine Landebahn für Versorgungsflugzeuge
ihrer Station mitten durch eine Kolonie Adéliepinguine. Obwohl nur selten Flugzeuge dort landen oder starten,
reagierten die Pinguine anfänglich jedoch extrem verstört auf jedes Flugzeug: Sie verließen
teils ihre Nester für immer oder gingen für mehrere Tage nicht mehr ins Meer. Trotz der
offensichtlichen Folgen für die Pinguine, deren Verhalten sich im
Vergleich zu damals nicht sehr geändert hat, hält die französische Regierung an dem Projekt fest. Daran änderte
auch die Sympathiewelle für Pinguine in Folge des Films "Die Reise der Pinguine" nichts, für dessen Dreharbeiten die Station Ausgangspunkt war.
Ähnlich rücksichtsvoll verhielten sich die Neuseeländer und Amerikaner, als die am Cape Hallett
ab 1957 ihre Station bauten und eine komplette Adéliepinguinkolonie platt walzten. Sie entvölkerten
die gesamte Kolonie und vertrieben rund 8000 Erwachsene und 3300 sich mausernde Küken gewaltsam. Seit 1973 ist die Station
aufgegeben und die Pinguine konnten zurückkehren. Jedoch sind beim Rückzug aus der Gegend Öl und Kerosin in mittlerweile
undichten Tanks sowie weitere umweltgefährliche Materialien im Gebiet zurückgeblieben zu deren Entsorgung bislang nur zögerliche und
halbherzige Versuche gemacht wurden und die eine latente Gefahr für die Adeliepinguinkolonie darstellen.
Auch die Australier haben erfolgreich zur Dezimierung von Pinguinen beigetragen, als
ein Versorgungsflugzeug, dass die australische Forschungsstation auf den Macquarie Inseln
versorgte, im Jahr 1990 fahrlässig tief über eine Kolonie brütender Königspinguine hinwegflog.
Bei einer Überflughöhe von nur 20 Metern gerieten die Pinguine in Panik und stürmten
in die entgegengesetzte Richtung davon. Die Massenflucht kam erst an einer Felswand
zum stehen, die die Pinguine nicht überwinden konnten und wo die nachrückenden Pinguine
die vorderen erdrückten. 1000 Erwachsene und 6000 in Panik versetzte Küken
erstickten, nachdem sie sich in einem aus zehn Schichten Pinguinleibern bestehenden Haufen vor der
Felswand aufgetürmt hatten.
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Meike Meißner
Auch Deutschland unterhält in der Antarktis mehrere Forschungsstationen, darunter die Neumayer II Station, die regelmäßig von der hier gezeigten Polarstern versorgt wird.
Doch nicht nur während solcher spektakulären Ereignisse schadet der Mensch den Pinguinen. Auch
während das ganz normalen Forschungsalltags in den Stationen. So gelangen aus den Stationen
Schadstoffe ins Meer. Tests aus dem Jahr 1989 verzeichnen zum Beispiel PCB in der Fettschicht und
in der Leber von Felsenpinguinen in einer Konzentration von 42 ppb. Obwohl es sich dabei
um eine sehr kleine Menge handelt, wiesen viele der untersuchten Tiere Leberschäden auf, die
sehr wahrscheinlich auf das PCB (Polychlorbiphenyl) zurückzuführen sind. Da die PCB Konzentration
im offenen Meer die Nachweisgrenze nicht überschreitet und nur in der Nähe von Siedlungen oder aber
auch Polarstationen gelegentlich nachgewiesen werden kann, sind diese Schäden wohl auf die Emission
von PCB aus den umliegenden Polarstationen zurückzuführen, das durch den Betrieb von Generatoren und
Müllverbrennungsanlagen entstehen kann.
Auch andere Schadstoffe gelangten ebenfalls durch Polarstationen in die Kolonien der Pinguine. So
auch Kerosin oder Motoröl. Auch Schwermetalle wie Blei oder Cadmium konnten in Pinguinen
nachgewiesen werden, die in der Nähe von Polarstationen lebten.