Ureinwohner auf Pinguinjagd

In Neuseeland finden sich Beweise für die Jagd auf Pinguine, die den im 14. Jahrhundert eingewanderten Maori als wichtige Nahrungsquelle gedient haben.An alten Lagerplätzen haben Archäologen eine Vielzahl von Pinguinknochen ausgegraben, die Spuren von Schabern aufweisen. Diese Spuren entstanden, als das Beutetier mit Werkzeugen zerlegt und das Fleisch von den Knochen abgeschabt wurde. Jedoch waren Pinguine nicht die einzige Nahrungsquelle. Man fand außerdem Knochen von Enten, Kormoranen oder Sturmschwalben. Es finden sich jedoch unterschiedlich viele Knochen auf den Inseln. Das Menu auf der Nordinsel Neuseelands war relativ pinguinfrei, da hier auch keine Pinguine nisten und nur gelegentlich an die Küste kommen, während die Maoris auf der Südinsel sehr oft Pinguin verspeist haben. Diese Beobachtung deckt sich mit Aufzeichnungen mit Naturforschern des 18. und 19. Jahrhunderts, die wie Joseph Banks, den häufigen Verzehr von Pinguinen bei den Ureinwohnern in ihren Reisetagebüchern festgehalten haben.

Wesentlich weniger ist dagegen von den australischen Ureinwohnern bekannt. Sicher ist aus den Traumerzählungen der Aborigines, dass Zwergpinguine den Ureinwohnern schon viele hundert Jahre bekannt sind. Dennoch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sie gejagt oder verzehrt wurden. Lediglich vereinzelt gibt es Hinweise darauf, dass Pinguineier gesammelt wurden.

In Südafrika war der einheimische Brillenpinguin ebenfalls den Ureinwohnern bekannt. Eine bekannte Gravur von den britischen Expeditionsteilnehmer Colonel Gordon aus dem Jahr 1779 zeigt Angehörige der einheimischen Nama Stämme, die in lange Pinguinmäntel gekleidet sind. Diese Stämme, die im Mündungsgebiet des Orange Rivers heimisch sind, produzierten Kleidung aus entfetteten Pinguinhäuten. Rund 60 halbwüchsige Tiere wurden für einen Mantel verarbeitet und auch die Haut ausgewachsener Tiere war wegen der schwarz weißen Gefiederzeichnung als Material für Kleidung und Taschen beliebt. Auch Decken wurden neben anderen Materialien aus Pinguinhaut gefertigt. Diese Verwendungszwecke wurden im frühen 19. Jahrhundert vom Entdecker Owen, der die selbe Region bereiste ebenfalls dokumentiert. Beweise für einen Verzehr von Pinguinen fanden sich ebenfalls. In der Nähe Lüderitz in Namibia wurden 4000 Jahre alte Knochen von einem Brillenpinguin gefunden, die Ritzspuren aufweisen und somit vermuten lassen, dass der Pinguin mittels einfachen Werkzeugen zerteilt worden ist.

Weiter westlich, an der Südspitze Südamerikas fanden sich die die ältesten Spuren einer systematischen Jagd auf Pinguine. Die französischen Archäologen Dominique Legoupil und Christine Lefebvre fanden 1989 Pinguinknochen mit den typischen Schabspuren und Reste von Jagdwaffen, die ungefähr auf ein Alter von 5900 Jahren geschätzt werden. Auch wenn die Knochenüberreste nicht eindeutig einer Pinguinart zugeordnet werden können, ist es doch wahrscheinlich, dass es sich um die Knochenfragmente eines Magellanpinguins (Spheniscus magellanicus) handelt. Diese Art ist noch heute relativ häufig an der Küste Patagoniens zu finden.
Die Jagdwaffen werden Angehörigen des Stammes der Yamana zugerechnet, die diese Region für mehr als 1000 Jahre bewohnten. Sie benutzen mit Sicherheit Speere und Steinschleudern für die Jagd. Diese Steinschleudern bestanden aus Seelöwenhaut und zwei Schnüren, die aus verdrehtem und geflochtenem Darm bestanden. Die Speerspitzen wurden aus Walknochen gefertigt und wiesen bereits Widerhaken auf, die größere Wunden in die Beute rissen. Sie wurden mit Robbendarm oder Hautstreifen an einen Stab aus Holz (Nothofagus betuloides) gebunden.
Auch wenn von ihren Jagdmethoden wenig bekannt ist, so weist die Vielzahl der Beutetiere und die Beschaffenheit der Waffen die Yamanas als exzellente Jäger aus. Eine stark verwitterte Felszeichnung lässt Rückschlüsse auf eine Jagdmethode zu, mit der wahrscheinlich Pinguine, aber auch Seelöwen gejagt wurden: Dazu benutze eine Gruppe von Yamanas 2 oder 3 Kanus, mit denen sie hinausfuhren, um einer Gruppe Pinguine um flachen Wasser auszumachen. War das geschehen, wurden die Tiere durch lautes Rufen und durch Steinwürfe dazu gebracht, sich in eine von Land aus gut zugängliche Bucht zu flüchten. Dort wurde den Pinguinen der Weg ins offene Meer versperrt, indem Kanus vor dem Eingang der betreffenden Bucht patrouillierten und die Besatzungen Steine ins Wasser warfen. Die aufgeschreckten Pinguine wurden so immer in der Nähe des Strandes in Schach gehalten und gingen irgendwann erschöpft an Land. An Land wartete dann eine zweite Gruppe Jäger, bis die erschöpften Tiere in ausreichender Zahl am Strand ruhten. Zuerst kamen die Steinschleudern zu Einsatz. Der Rest der Tiere wurde dann mit Speeren erlegt. Die Pinguine die sich ins Meer zurückflüchteten, wurden im flachen Wasser von den Kanubesatzungen harpuniert.
Durch diese ausgeklügelte Jagdmethode konnten viele Pinguine auf einmal erlegt werden. Pinguine dienten wohl ausschließlich zum Verzehr, denn Werkzeuge oder Schmuckstücke, die aus Pinguinen gefertigt wurden, sind nicht bekannt. Wie wichtig Pinguin für die Ernährung der Yamanas war, ist schwierig zu beziffern, die Archäologin Lefebvre schätzt, dass Pinguine die viertwichtigste Nahrungsquelle der Yamanas waren. Sie glaubt weiterhin zu wissen, dass die Yamanas Pinguine bevorzugt am Spieß über dem offenen Feuer brieten. Gekocht wurde Pinguinfleisch angeblich nie.
Ein weiterer in Patagonien einheimischer Stamm waren die Qawaskars, die gelegentlich auch als Alacaluf bezeichnet werden. Die Qawakars lebten in Kleingruppen und waren wohl Nomaden, die in Kanus reisten. Da sie nur in kleinen Gruppen lebten, waren ihre Jagden lange nicht so organisiert, wie die der Yanamas. Sie spezialisierten sich wohl auf die Jagd der Pinguine an Land. Ausgeruhte Pinguine sind an Land aber keineswegs langsam, wenn sie auf der Flucht oder in einen Zweikampf mit einem Artgenossen verwickelt sind. Außerdem brachte die Jagd der Pinguine mit der bloßen Hand die Gefahr mit sich, sich ernste Verletzungen durch Bisse und Schnabelhiebe zuzuziehen. Da Steinschleudern anscheinend unbekannt und Speere kaum verbreitet waren, behalfen sich die Qawakars mit Baukünsten. Die Archäologin Lefebvre schreibt dazu, dass die Qawakars oft Zäune oder Erdwälle um kleinere Bereiche einer brütenden Kolonie zogen. Dann wurden die Pinguine aufgeschreckt und flüchteten durch einen schmalen Korridor, den die Zäune ihnen noch ließen. Hier konnten einzelne Tiere dann mit Stockschlägen getötet oder betäubt werden. Außerdem scheinen Pinguine auch gelegentlich mittels Fallgruben gejagt worden zu sein. Zudem konnten später die Eier und Küken aus den verlassenen Bruthöhlen gesammelt werden. Dominique Legoupil geht sogar davon aus, dass Pinguineier in den Monaten November uns Dezember die Hauptnahrungsquelle der Qawakars waren.
Einige Funde deuten darauf hin, dass die Qawakars Pinguine nicht nur wegen ihres Fleisches gejagt haben, sondern auch für ihr Öl. Pinguinöl diente wahrscheinlich als Brennstoff, Zudem wurden aus der Pinguinhaut anscheinend auch Babytragetaschen gemacht, indem man die gefiederte Außenseite nach innen wendete. Ob die Qawakars aus Pinguinhaut auch Kleidung herstellten ist nicht bekannt, aber Christine Lefebvre hält dies für sehr wahrscheinlich.