Das Watscheln

Obwohl man, zieht man die langen Strecken in Betracht, die zum Beispiel Kaiserpinguine zu ihren Brutplätzen zurücklegen, Gegenteiliges annehmen könnte, sind Pinguine eigentlich keine großen Läufer und nicht dafür geschaffen, sich an Land fortzubewegen. Die kurzen, weit hinten liegenden Füße verhindern ein schnelles Gehen weitgehend und lassen nur kurze Trippelschritte zu. Darüber hinaus ist von Pinguine schon seit Längerem bekannt, dass sie beim Gehen so viel Energie verbrauchen, wie kein anderes zweibeiniges Tier ihrer Größe und das, obwohl in den extrem kalten Lebensräumen eines Kaiserpinguins jedes verbrauchte Joule Energie, das vermeidbar gewesen wäre, zu viel ist.
Obwohl es freilich nicht gerade intelligent aussieht, wenn ein Pinguin gemächlichen Schrittes, leicht hin und herpendelnd, den Kopf vorn übergebeugt dahergewatschelt kommt, haben neuere Untersuchungen an der Universität von Kalifornien in Berkeley und an der Universität von Boulder, Colorado gezeigt, dass gerade dieser unbeholfenen wirkende Gang erheblich dazu beiträgt, dass die Pinguine beim Gehen Energie sparen können.

Wenn Pinguine an Land gehen - zur Brut oder zur Mauser - haben sie sich darüber hinaus noch eine Speckschicht angefressen, die ihnen das Gehen jedoch noch zusätzlich erschwert. Für sie wäre ein "normales" Gehen sehr energieaufwendig - müssten sie doch bei jedem Schritt ihre gesamte Körpermasse anheben. Außerdem sind sie wegen ihrer kurzen Beine gezwungen viele Schritte machen, um eine Distanz zurückzulegen, die ein "normaler" Zweibeiner mit wenigen Schritten überwinden könnte.
Deshalb hat sich bei den Pinguinen evolutiv eine spezielle Gangart herausgebildet - das Watscheln. Anstatt den Fuß beim Gehen abzurollen, wie es beispielsweise der Mensch tut, treten sie immer mit der gesamten Sohle auf, wie das auch Dachse tun. Dadurch vermeiden sie es, ihr ganzes Körpergewicht mit dem Fuß vom Boden abdrücken zu müssen. Die dafür nötige Muskelarbeit wäre zu groß, als dass ihr Gang so halbwegs energieeffizient bliebe - und Energieeffizienz ist, besonders für die Pinguine, die in kalten Umgebungen leben, überlebenswichtig.

Allerdings können auch Pinguine nur dann einen Fuß vor den anderen setzen, wenn sie ihr Gewicht abwechselnd von einem Fuß auf den anderen zu verlagern. Um dies so energieeffizient wie möglich zu gestalten, haben bewegen sich Pinguine im Watschelgang fort. Dabei gehen sie in eine orthogonal zur Bewegungsrichtung verlaufende Pendelbewegung des gesamten Körpers über, die ihnen hilft, ihren Körperschwerpunkt bei geringstmöglichem Energieaufwand auf den jeweils anderen Fuß zu verlagern.
Am Ende eines Pendelns auf die eine Seite, wenn die Pinguine für extrem kurze Zeit praktisch still steht, haben sie in dieser Position die Energie für das Zurückpendeln auf die andere Seite gespeichert. Diese Energie wird dann während des Zurückpendelns wieder in Bewegung umgesetzt, bis der Pinguin auf der anderen Seite erneut kurz zum Stillstand kommt. Immer wenn die Pinguine die größte Auslenkung aus der Senkrechten zu einer Seite hin erreicht haben, hat auch der schräg gegenüberliegende Fuß seine maximale Höhe über dem Boden erreicht und kann ein Stück nach vorne bewegt werden. Dazu bedienen sich die Pinguine einer ähnlichen, aber deutlich schwächeren Pendelbewegung in Laufrichtung. Sie schwingen also beim Gehen auch leicht vor und zurück.
Mit dieser unbeholfenen wirkenden Gangart bringen es Pinguine beim Gehen auf eine Energieerhaltungsrate von bis zu 80%. Als Energieerhaltungsrate wird der prozentuale Anteil der Energie bezeichnet, der zwischen zwei Schritten erhalten bleibt, also nicht in Bewegung umgesetzt wird. Beim Menschen beträgt die Energieerhaltungsrate dagegen nur ungefähr 65 %.
Die Hin- und Herbewegung verhilft ihnen zu einer schnellen und effektiven Verlagerung ihres Gewichtsschwerpunktes, sodass ihre Beine bei der Halte- und Gleichgewichtsarbeit entlastet werden und ihre Muskelarbeit durch die hohe Energieerhaltungsrate und die fließende Weitergabe der Bewegungsenergie auf ein Minimum reduziert wird. So gesehen, ist das Watscheln also keineswegs ungeholfen, sondern eine sehr ökonomische Form der Fortbewegung.