Die Anlandung

Sich an Land zu bewegen ist eine Sache, doch auch nicht ganz einfach ist es, an Land zu kommen. Denn einige Fressfeinde der Pinguine wie Seelöwen oder Seeleoparden lauern bevorzugt im flachen Wasser in Strandnähe, wo die Pinguine ihre Manövrierfähigkeit nicht in dem Maße ausspielen können, wie sie dies im offenen Wasser könnten. Außerdem sind die Feinde im Wasser den wachsamen Blicken der Pinguine an Land entzogen. Für den Pinguin ist es also jedes Mal aufs neue ein Glücksspiel, ob ein Feind in Strandnähe lauert, wenn er ins Wasser hinein oder hinaus geht. Je länger sich Pinguine im Flachwasser aufhalten, desto wahrscheinlicher wird ein Angriff durch einen Feind.

Deshalb versuchen Pinguine das flache Wasser so schnell wie möglich wieder zu verlassen - egal ob sie in Meer reingehen oder rauskommen. Manche Pinguinarten vermeiden es sogar ganz, an flachen Stränden ins Wasser zu gehen sondern stürzen sich von Felsen ins Meer, wo die See zu unruhig für einen lauernden Jäger ist. Auch beim Verlassen des Meeres ziehen einige Pinguinarten, zum Beispiel der Goldschopfpinguin und der Felsenpinguin vor, das Wasser an steilen, von tosenden Wellen umspülten Felsen zu verlassen.
Dies erfordert allerdings ein großes Geschick, denn normalerweise lassen sich die Vögel mit großen einer Welle auf die Felsen spülen, um kurz danach aufzuspringen und verzweifelt weiter nach oben zu hüpfen. Dr. Wayne Lynch beschreibt in seinem Buch die Landung heimkehrender Felsenpinguine wie folgt:

"Das Meer war schäumend, kochend und milchweiß, hämmerte mit unvorstellbarer Wucht gegen die Felsen, spritze Gischt 27 Meter hoch in den Himmel, sodass sich ihre Tropfen auf meiner Kameralinse sammelten. Die Pinguine landeten in gleichen Grüppchen und wurden in dem weißen Schaum am Fuß der Klippe herumgeschleudert, als befänden sie sich in einem Küchenmixer. Regelmäßig nachdem sie an die Küste gesprungen waren und etwas den Felsen hinauf geklettert waren, verharrten sie auf dem ersten flachen Felsabsatz, um sich zu putzen und ihr zersaustes Gefieder zu richten - allerdings vergebens, denn die nächste große Welle überspülte sie wieder und riss sie zurück ins Meer."


Aber nicht nur die Felsen oder Goldschopfpinguine haben unter Umständen damit Probleme, sicher an Land zu kommen. Auch Adéliepinguine müssen gelegentlich einige Höhenmeter überwinden, wenn sie ihre Brutplätze erreichen wollen. Während der ersten Hälfte der Brutsaison, im antarktisches Frühjahr ist der Küste meist ein Streifen Schelfeis vorgelagert, den die Pinguine erst überwinden müssen, um zu ihren Brutplätzen zu gelangen. Bei Flut kann es sein, dass die Schelfeisoberfläche nur wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche liegt - bei Ebbe kann Pinguinen leicht eine bis zu zwei Meter hohe Schelfeiskante den Weg zu ihren Nistplätzen versperren. Diese mauerartige Eiskante gilt es zu überwinden, wenn sie an Land gehen wollen. Dabei ist zu beobachten, dass sich Grüppchen von Pinguinen mit einer möglichst großen Welle aus dem Wasser katapultieren lassen, um die Eiswand zu überwinden. Nur wenige schaffen die imposanten Sprünge von zwei oder sogar 3 Metern Höhe, was dem vierfachen ihrer Körpergröße entspricht, und landen sicher auf dem Eis. Die meisten Pinguine jedoch prallen gegen sie senkrechte Wand um danach wieder ins Meer zurückzustürzen und es noch mal zu versuchen.
Die Anlandung muss schnell gehen, um aus der Hauptgefahrenzone zu gelangen.

Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Wetjens Dimmlich

Die Anlandung muss schnell gehen, um aus der Hauptgefahrenzone zu gelangen - wie diese Magellanpinguin.

Von derart waghalsigen Landemanövern macht allerdings die Mehrzahl der Pinguine keinen Gebrauch - sie landen flachen Stränden oder springen aus einem Eisloch auf das Schelfeis - allerdings immer darauf bedacht, das flache Wasser oder die nähere Umgebung des Eisloches schnellstmöglich wieder zu verlassen - um Feinden aus dem Weg zu gehen.

Kaiserpinguine beispielsweise schwimmen in der Tiefe an ihr Eisloch heran und beschleunigen dann, um von unten praktisch senkrecht nach oben das Wasser zu verlassen. Dies schützt sie weitgehend vor Seeleoparden, die unmittelbar unter der Eisdecke auf ihre Beute lauern, aber meistens Pinguine angreifen, die ins Wasser hineingehen.
Auch in nördlicheren Gebieten lauert die Gefahr meistens im flachen Wasser - auch wenn es sich dann nicht um Seeleoparden, sondern um Seelöwen oder Mähnenrobben. Also versuchen beispielsweise Magellanpinguine, sich von einer großen Welle an den Strand tragen lassen, um dann möglichst schnell den Gefahrenbereich zu verlassen. Dr. Wayne Lynch beschreibt das Landemanöver der Magellanpinguine auf den Falklandinseln wie folgt:

"Ich liebe es, Pinguine zu beobachten, die an Land kommen. Auf den Falklandinseln habe ich viele entspannte Stunden verbracht und unzählige Filmrollen bei dem Versuch verschwendet, den wundervollen Augenblick auf Film zu bannen, wenn eine Pinguinsilhouette durch die grünen Wogen hindurchschimmert um kurz darauf aus dem schäumenden Weiß am Wellenkamm der sich brechenden Welle erneut aufzutauchen. Noch viel schwieriger ist der Versuch, zu erraten, wo ein Vogel aus einer Welle in die Höhe schießen und am Stand landen wird, um dann sofort auf seinem Bauch weiterzurutschen. In dem Moment der Landung, rappelt er sich auf und kraxelt so schnell wie möglich vom Rand des Wassers weg. Einige Meter weiter hält er oft inne und schaut zurück zum Wasser, als ob er sich fragen würde, zu was die ganze Eile überhaupt gut gewesen ist."