Obwohl ungefähr 70 % der Erdoberfläche von Ozeanen bedeckt sind, gibt es unter den schätzungsweise
8600 Vogelarten weltweit nur ungefähr 350 Seevogelarten. Bis in die erste Hälfte des 20.
Jahrhunderts hinein, sah man daher in Seevögeln, insbesondere in den flugunfähigen Seevögeln, die
primitiven Bindeglieder zwischen den Fischen und den flugfähigen Vögeln. (Heute weiß man, dass die Vögel von den Reptilien abstammen)
Die wenigen heute lebenden Seevögel galten als Überlebende dieser Entwicklung. Diese These geht auf den schwedischen Naturforscher
Carl von Linné (1707 - 1778) zurück, der in seinem Buch Systema Naturae den Brillenpinguin
als Beispiel für ein solches Bindeglied anführt.
Obwohl flugunfähige Vögel gar nicht so selten sind - als Beispiele soll der Strauß
(Struthio camelus), der Kiwi (Apteryx australis) oder der Kakapo (Strigops
habroptilus) dienen - galten sie lange Zeit als den flugfähigen Vögeln unterlegen. Insbesondere
der Kaiserpinguin, dessen massiger Körperbau jegliche Assoziation zum fliegenden Vogel
praktisch ausschließt, galt nach seiner Entdeckung um 1820 für fast
hundert Jahre als der primitivste Vogel überhaupt.
Heute weiß man, dass der Kaiserpinguin zu den am besten angepassten Arten überhaupt gehört
und der am tiefsten tauchende Vogel ist, der zudem die kältesten Temperaturen aller Vögel
erträgt. Aber noch 1902 schrieb der Forscher Dr. Edward Wilson, der an einer Expedition zur Kaiserpinguinkolonie
am Cape Crozier teilnahm:
"Wir sind geneigt, den Kaiserpinguin als primitivsten aller Pinguine, ja wenn nicht aller Vögel überhaupt anzusehen."
Schon einige Jahre davor, Mitte des 19. Jahrhunderts schreibt der französische Entdecker Jules-Sébastien-César Dumont d´Urville über Pinguine:
"Dieser Fischvogel, den wir bereits auf Tristan da Cunha beobachtet haben, ist eher dazu gebaut zu schwimmen als zu fliegen. Anstelle von Flügeln hat er abgeflachte Flossen und sein Körper ist mit einem dichten Fell besetzt, das eher an Seide, als an Federn erinnert."
Heute weiß man, dass sich die flugfähigen Vögel nicht aus flugunfähigen Vögeln entwickelt haben,
sondern dass sich alle rezenten (heute noch lebenden) flugunfähigen Vögel aus flugfähigen Vorfahren entwickelt haben.
Zu diesen gehören auch die Pinguine, deren früheste Vorfahren noch zusammen mit den Dinosauriern lebten.
Während aus dem Jura nur der Urvogel Archaeoperyx bekannt ist, traten während der Kreidezeit bereits
mehrere Arten Vögel auf, darunter auch die ersten flugunfähigen Urvögel z.B. Hesperornis. Hesperornis hatte
zwar eine ähnliche Lebensweise wie die heutigen Pinguine, ist aber nicht mit ihnen verwandt. Diese Urvögel, die
übrigens noch Zähne hatten, starben ungefähr vor 65 Millionen Jahren aus.
Ungefähr vor 70 Millionen Jahren, also noch zur Zeit der Dinosaurier, tritt der letzte gemeinsame
Vorfahre von Pinguinen und den heute lebenden Röhrennasen (Procellariiformes) auf, zu
denen beispielsweise die Albatrosse zählen. Obwohl Albatrosse als Flugkünstler bekannt sind, ist doch ziemlich sicher,
dass sowohl sie als auch die Pinguine vor 70 Millionen Jahren den gleichen Vorfahren hatten.
(Vor 67 Millionen Jahren spalteten sich noch die Vorfahren der Seetaucher Gaviiformes ab, vor 62 Millionen Jahren
die Schreitvögel Ciconiiformes.)
Die gemeinsamen Vorfahren der Pinguine und Albatrosse konnten wahrscheinlich noch sehr gut fliegen,
konnten aber auch - wie heutige Sturmtaucher aus der Ordnung Procellariiformes - bereits sehr gut
tauchen.
Man nimmt an, dass die nächsten flugfähigen Verwandten der Pinguine nicht mehr als 1 kg gewogen haben
und nicht größer als der heute lebende Sturmtaucher waren. Denn diese Masse bildet ungefähr die Grenze
dessen, was ein solcher Vogel wiegen darf, wenn er sowohl ein akzeptabler Taucher als auch ein akzeptabler Flieger
sein will. Wird der Vogel schwerer und größer, dann müssen sich die Flügel vergrößern, damit die Flugfähigkeit
erhalten bleibt. Aber ab einer gewissen Größe behindern Flügel den Vogel Unterwasser. Seine Manövrierfähigkeit
und seine Wendigkeit ist so sehr herabgesetzt, dass er seiner Beute nicht länger folgen kann. Also wird ein
Vogel entweder seine Flügel beim Tauchen anlegen und sich unter Wasser mit seinen Füßen antreiben, wie beispielsweise
Enten oder Kormorane es noch heute tun, oder er hält an dem Antrieb mit den Flügeln fest, wie es heute die Trottellumme (Uria aalge)
oder die Dickschnabellumme (Uria lomvia) tun, erreicht dann aber höchstens Tiefen von 40 Metern und hat nur noch mäßige
Flugeigenschaften. Für größere Tiefen, muss der Vogel das Fliegen in der Luft ganz aufgeben.
Man nimmt ferner an, dass es einige Exemplare solcher letzten flugfähigen Vorfahren der Pinguine auf eine Insel verschlagen
hat, wo es an Land keine Räuber gab, die sie und ihre Nester hätten bedrohen können und wo sie schließlich ihre Flugfähigkeit verloren.
Wo diese Entwicklung genau stattgefunden hat, ist nicht bekannt, aber als mögliche Orten kommen Neuseeland, Südamerika oder die Antarktis in betracht,
wo damals noch ein subtropisches Klima herrschte.
Die kleine Population, die es auf jener Insel gab, begünstige die Vererbung von Mutationen und veränderte
Selektionsfaktoren begünstigten schwerere Exemplare, die zwar schlechter Fliegen konnten, die aber
dafür besser zum Tauchen geeignet waren.