Auf den ersten Blick hat ein schwimmender Pinguin wenig mit den Problemen eines Ingenieurs zu tun, der
beispielsweise ein U-Boot konstruieren will. Dennoch steht der Ingenieur bei seinem
Entwurf vor den gleichen Problemen wie die Natur, als sie den Pinguin "konstruiert" hat.
Insofern kann es für den Ingenieur vorteilhaft sein, wenn er in der Natur nach
Vorbildern sucht, die ihm dabei helfen können, technische Probleme zu lösen.
Indem er Lösungen der Natur kopiert oder sich zumindest
durch sie inspirieren lässt, können sich erstaunliche Konzepte ergeben.
Genau das tun Bioniker - Leute, die sich mit Bionik beschäftigen - auf vielfältige Weise.
Das Wort Bionik ist ein Kunstwort aus "Bio(logie)" und
"(Tech)nik" und bezeichnet die interdisziplinäre Wissenschaft, die versucht, Dinge aus der
Natur zu übertragen und damit technische Probleme zu lösen. Das geschieht mittlerweile auf sehr vielfältige
Weise: So werden gerne Oberflächenstrukturen nachgebildet, denn der - mittlerweile relativ bekannte -
Lotuseffekt, der sich bei der Lotuspflanze aber auch bei Tulpenblüten beobachten lässt, beruht auf einer
rauen, speziell geformten Oberfläche der Blätter. Durch sie perlen Flüssigkeitstropfen einfach ab, was
technisch bereits umgesetzt wird. Die Palette reicht von selbstreinigenden Außenfarben bis hin zu
speziellen Honiglöffeln, an denen der Honig nicht mehr klebt. Neben solchen Spielereien wie den Honiglöffeln
hat die Bionik zum Beispiel auch dazu beigetragen, dass Fliegen treibstoffsparender geworden ist. Von
Haihaut abgeschaute Folie, die auf Airbus Flugzeuge aufgeklebt wird, trägt genauso zum Treibstoffsparen bei,
wie Bauteile, die wegen großer Hohlräume im Inneren leichter und trotzdem stabiler sind, als es massive Teile
wären. Ihr Geheimnis liegt dabei in einer speziellen Säulenstruktur im Inneren, die von Baumkronen übertragen wurde.
Obwohl viele von der Bionik abgeleitete Verbesserungen und technische Neuerungen erst in den letzten Jahren
allmählich verbreitet eingesetzt wurden, ist Bionik keineswegs eine so neue Wissenschaft. Vielmehr
haben Fortschritte im Maschinenbau und in der Verfahrenstechnik sowie neue Werkstoffe (z.B. Spezialkeramiken und -kunststoffe) es
erst kürzlich ermöglicht, die vielen, teils schon lange existierenden Ideen aus der Natur technisch umzusetzen. Der Gedanke,
die Natur zum Vorbild zu nehmen, ist dagegen schon wesentlich älter. So hat sich schon das Universalgenie Lenoardo da Vinci
bei seinen Konstruktionen von der Natur inspirieren lassen. Konkrete Forschungen zum Thema sind auch von dem
Briten George Cayley bekannt, der im Jahr 1806 Spechte und Delfine in Scheiben geschnitten hat, um die optimale
Form für einen Heißluftballon zu finden.
Nicht nur aus umweltpolitischer, sondern durchaus auch aus ökonomischer Sicht, ist ein möglichst
energiesparender Betrieb von Verkehrsmitteln wünschenswert. Neben ihrem Gewicht
ist dabei die Beschaffenheit ihrer Oberfläche und ihre äußere Form wichtig. Wieso ?
Ein elementarer Satz der Mechanik besagt, dass jedes Objekt mit seiner Masse auch Trägheit besitzt,
d.h. es "möchte" seinen aktuellen Bewegungszustand (gerichtet: Impuls) beibehalten. Ruht es, muss man Energie aufwenden, um es in
Bewegung zu versetzen. Bewegt es sich, muss man Kraft aufbringen, um seine Geschwindigkeit oder
die Bewegungsrichtung zu ändern. Theoretisch würde sich ein bewegter Körper ewig gleichförmig weiterbewegen, solange
ihm durch äußere Kräfte eine andere Bewegungsform aufgezwungen wird.
In der Realität verliert aber ein sich bewegender Körper ständig an Bewegungsenergie. Die Ursache dafür ist
Reibung. Sie tritt immer zwischen zwei sich berührenden Oberflächen auf. Der Grund dafür ist,
dass sich auf atomarer Ebene winzige Strukturen der zwei Oberflächen ineinander verhaken.
Diese Verkantungen müssen ständig aufs Neue gebrochen werden,wenn sich die eine Oberfläche relativ zur anderen Oberfläche verschiebt
, wie es bei Bewegung der Fall ist - wofür allerdings Energie nötig ist.
Diese Energie wird von der Bewegungsenergie des sich bewegenden Objekts abgezweigt, weshalb seine
Bewegungsenergie immer weiter abnimmt, bis das Objekt ruht. Außer,
die durch Reibung verlorene Bewegungsenergie wird ständig wieder ersetzt, beispielsweise durch einen Motor,
der seine Bewegungsenergie durch Umwandlung von chemischer Energie (Verbrennungsmotor) oder elektrischer
Energie (Elektromotor) gewinnt.
Auch an Oberflächen, über die Luft hinweg strömt, tritt "Reibung" auf, die auch als Luftwiderstand fühlbar ist.
Dafür gibt es drei Hauptgründe. Einerseits sorgen Druckunterschiede durch Verwirbelungen für Gegenkräfte, anderseits
verhaken sich auch Moleküle aus der Luft geringfügig an der Oberfläche des sich bewegenden Objekts. Drittens
besitzen natürlich auch die Moleküle und Atome der Luft eine Masse und da sie sich im gasförmigen Zustand ständig
bewegen, damit auch einen Impuls (= Produkt aus Masse und Geschwindigkeit). Prallen die Luftteilchen nun
mit dem sich bewegenden Objekt (welches auch einen Impuls besitzt)
in einem quasi-elastischen Stoß zusammen, dann wird beider Impuls verändert.
Obwohl das Fahrzeug eine wesentlich größere Masse besitzt als ein
Luftteilchen, führt der Zusammenstoß mit Milliarden Teilchen eine messbare
Verzögerung herbei. Das Fahrzeug wird abgebremst.
Gelingt es nun, das Fahrzeug so zu formen, dass es eine geringe Querschnittsfläche
und eine besonders
stromlinienförmige Gestalt besitzt, die Verwirbelungen und starke Druckunterschiede
vermeidet, dann kann der
Luftwiderstand reduziert und damit auch der Energieverbrauch gesenkt werden. Um zu erfahren, wie eine solche
Form in etwa aussehen könnte, betrachten Bioniker auch Pinguine.