Eigentlich scheint es sinnvoller, dass Bioniker, die bei einem Automobil oder
einem Flugzeug dessen Luftwiederstand reduzieren wollen, sich als natürliche Vorbilder
Schwalben, Albatrosse oder Adler suchen, die als Flugkünstler bekannt sind, anstatt sich Pinguine zu
betrachten, die an Land eher unbeholfen scheinen.
Allerdings hat schon George Cayley 1806 für seinen Heißluftballon nicht nur Spechte, sondern auch Delfine untersucht.
Diese äußerst besonnene Vorgehensweise beruhte auf der Feststellung, dass auch im Wasser die gleichen Reibungseffekte auftreten
wie bei Luft - durch dessen höhere Dichte jedoch in noch stärkerem Maße. Er schlussfolgerte daraus,
dass die stromlinienförmigsten Lebewesen im Meer und nicht am Himmel zu finden seien - ein für das Jahr 1806 sehr fortschrittlicher
Gedanke.
Bis heute hat diese Feststellung noch Gültigkeit, weshalb Pinguine nicht nur für U-Boot Konstrukteure, sondern
auch für Automobilbauer interessant sein können. Interessant deshalb, weil sie als eine der wenigen Seevogelarten
das Fliegen aufgegeben haben. Die Natur hatte somit völlig freie Hand bei der Ausgestaltung
des stromlinienförmigen Pinguinkörpers, die mit dem Verlust der Flugfähigkeit einherging. In Millionen Jahren Entwicklungsdauer
entstand eine der besten Stromlinienformen im Tierreich. Neben Robben, Delphinen und einigen Fischarten
(darunter auch Haie) sind Pinguine somit das ideale Untersuchungsobjekt für Bioniker. Pinguine sind jedoch insbesondere
geeignet, weil sie - anderes als Robben oder Fische - ihren Rumpf nicht zur Schuberzeugung einsetzen.
Ein sich bewegender Rumpf eignet sich nämlich nur bedingt als Vorlage für die starren Hüllen der Flugzeuge oder
Automobile.
Mittlerweile haben schon mehrere Forschergruppen weltweit an Pinguinen geforscht, eine davon ist die Arbeitsgruppe
von Prof. Dr. Rudolf Bannasch, damals an der TU Berlin. Durch Feldstudien 1989 und in darauf folgenden Jahren konnten Prof. Dr. Boris Culik, Rory P. Wilson
und Kollegen, wie auch in anderen Experimenten die Arbeitsgruppe um Bannasch, nachweisen,
dass Eselspinguine als Energiesparer unter Wasser unübertroffen sind. Bei
einer ruhigen Schwimmgeschwindigkeit von 3 m/s verbrauchen sie gerade mal 60 Joule Energie in der Sekunde. Das entspricht
der Energiemenge, die eine 60 Watt Glühbirne in der gleichen Zeit abstrahlt. Anders ausgedrückt: Ernährten sich
diese Pinguine von den fast gleichnamigen Schokoriegeln mit Milchcremefüllung, dann könnten sie mit dem Nährwert
von 1831 kJ über 91 km weit schwimmen. 3 m/s mag nicht gerade schnell erscheinen, gerade mal 10,8 km/h, doch gilt es
zu bedenken, dass die Tiere im Wasser unterwegs sind. Als Vergleich soll der Weltrekord über 50 m Freistil der Männer
dienen, den Alexander Popov am 16.Juni 2000 in Moskau mit einer Zeit 21,64 Sekunden aufstellte. Auf die Distanz umgerechnet,
ist Popov im Schnitt 2,3 m/s schnell geschwommen. Der gemütlich schwimmende Eselspinguin ist hier noch etwas schneller - er
würde die selbe Distanz in 16,6 Sekunden schaffen und diese Geschwindigkeit zudem über sehr lange
Strecken halten können. Die Spitzengeschwindigkeit des Pinguins liegt mit 27 km/h bzw. 7,5 m/s übrigens deutlich höher, allerdings
steigt dann auch sein Energieverbrauch enorm an.
Das Geheimnis des geringen Energieverbrauchs im Wasser liegt beim Pinguin - haben Bannasch und seine Kollegen
herausgefunden - ein einer extrem günstigen Körperform. Entgegen der heutigen U-Boot Bauweise eines langetreckten
Zylinders mit abgerundeten Enden, weist der Pinguinkörper eine wellige Spindelform auf. Auf einen dünnen Schnabel, der sich
zum Kopf verdickt, folgt der dickere Kopf, dann der schlankere Hals und zum Schluss der massigere Körper, der sich
zum Becken hin wieder verdünnt. Diese Form verhindert beim schwimmenden Pinguin, dass die Strömung abreißt, sich
Verwirbelungen ausbilden oder sich Wasser staut. So vermeidet der Pinguin durch seine Körperform eine große
Reibung im Wasser. Misst man den Strömungswiderstand eines schwimmenden Adéliepinguins, so erreicht dieser gerade
einmal den cw-Wert von 0,05. Das ist nur ein Bruchteil dessen, was ein heutiges Automobil erreicht.
Selbst Sportwagen kommen selten weit unter einen cw-Wert von 0,3. Idealisierte Modelle in Pinguinform und -größe erreichen
dagegen im Windkanal sogar einen cw-Wert von 0,02, ein Wert, der dem eines 2 Eurostücks sehr nahe kommt.
Dabei besitzt ein Teil der Pinguinform größere Wichtigkeit als lange Zeit angenommen: Der wulstige Gefiederansatz
über dem Schnabel. Durch seine Existenz erhält der Pinguinkopf mit Schnabel eine sich dreistufig verdickende Form, die
für das Strömungsverhalten sehr bedeutsam ist. Ohne diese dreistufige Spitze steigt der cw-Wert des
Pinguins stark an und seine Form verliert an Nutzen.