Nur wenige Pinguine brüten ihre Eier auf den Füßen
aus, wie das bei den Kaiserpinguinen der Fall ist. Die meisten Arten
bauen Nester aus Steinen, Holz oder Blättern, um ihre Eier abzulegen.
Je üppiger die Vegetation ist, desto öfter verwenden Pinguine
Pflanzen, um ihr Nest zu bauen und viele Pinguine nutzen die
Küstenvegetation auch als schattiges Plätzchen, auf dem sie die
heißen Mittagsstunden verbringen. Überhaupt ist der Anblick eines
Pinguins, der sich seinen Weg durch die Vegetation nahe der Küste bahnt,
keine Seltenheit, schließlich bietet diese auch Schutz vor Feinden oder
ein ideales Versteck für das Nest. Ob in Neuseeland, Australien, Südafrika oder in Teilen
Südamerikas, Pinguine nutzen geeignete Vegetation, wo immer sie
vorhanden ist.
Foto: Lyubomir Ivanov (GFDL)
Magellanpinguine mit Tussacgrasbüscheln im Hintergrund.
Eine besondere Stellung nimmt hier das Tussac Gras genannte
Poa flabellata ein,
welches in Südgeorgien, in Feuerland und auf den
Falkland Inseln vorkommt. Es wächst stets in Büscheln, die einen ungefähren
Abstand von 70 cm zueinander haben und weitreichende Wurzeln aufweisen,
die die Pflanze in einem Umkreis von 2 m dicht umgeben, aber teilweise
weiter reichen. Diese Wurzeln werden mit der Zeit länger, je älter ein
Büschel wird. Während die Pflanze altert, sterben die unteren
seitlichen Blätter ab, bleiben aber mit den Wurzeln verbunden,
während oben, wo das meiste Licht auf die Blätter kommt, jährlich
neue wachsen. Auf diese Art und Weise sorgen die abgestorbenen Blätter
als Unterbau dafür, dass die photosyntetisch aktivsten, obersten
Blätter ständig höher wachsen und mehr Licht erhalten. Diese
Wuchsform bedeutet aber auch einen großen Vorteil für die Pinguine.
Durch das ständige Wachstum nach oben hin, bilden sich zwischen den
Pflanzen kaum einzusehende Gänge, die von den umgebenden Pflanzen
praktisch gänzlich versteckt sind. Genau diese Wege nutzen die Pinguine
nun, um sich geschützt von A nach B zu bewegen.
Tussac Gras hat sich exzellent an die Witterungsbedingungen dieser
Regionen angepasst und widersteht den starken Winden, die dort häufig
wehen. Zusätzlich erreicht es sein Photosynthese Optimum bei nur
3 Grad Celsius und wirft im Winter seine Blätter nicht ab,
was es der Pflanze ermöglicht, schon bald im Frühjahr mit der
Photosyntehse zu beginnen, größtenteils noch, bevor der Schnee
schmilzt. Das Gras verbreitet seinen Pollen im Dezember und die Samen
werden im Februar oder März verteilt. Es wächst nur in Küstennähe
und ist weitgehend unempfindlich gegen einen hohen Meersalzgehalt im
Grundwasser. Zudem gedeiht die Pflanze gelegentlich in einer Symbiose
mit einer besonderen Grünalge (
Prasiola crispa), die im Gefieder von
Pinguinen, auf dem Fell von Mähnenrobben (
Otaria byronia) oder Seeelefanten
(
Mirounga leonia) zu den Gräsern transportiert und an diesen abgeschabt
wird.
Die Alge ermöglicht eine verbesserte Verbreitung der Samen des Tussacgrases.
Diese und noch einige andere Anpassungen machen das Gras besonders geeignet
für ein Leben in den kältern Klimaten der Falklandinseln und der
südlichen Festlandspitze Südamerikas. Es wächst also in vielen
Verbreitungsgebieten der südamerikanischen Pinguine und wird
entsprechend häufig genutzt.
Zusammen mit einigen anderen Gräsern aus den
Gattungen
Nasella und
Deschampsia bildet es eine schützende
Umgebung, von der nicht nur Pinguine profitieren, sondern auch viele
andere Tiere nutzen die Gräser als Nahrung, als Brutplatz oder als
Schlafstätte. So teilen sich Magellanpinguine den Untergrund der
Pflanzen mit Sturmtauchern (
Puffinus gravis) oder anderen Seevögeln
(
Pelecanoides urinatrix; Procellaria aequinoctioalis). Magellanpinguine
graben ihre Bruthöhlen nämlich bevorzugt genau unter einem Büschel Tussac
Gras, weil dessen dichtes Wurzelgeflecht den losen Boden stabilisiert
und so die Gefahr eines Höhleneinsturzes gesenkt wird.
Nicht im
Untergrund, aber im unteren Teil
der Gräser verstecken Pinguine der Gattung Eudyptes sich und ihre
Nester, meistens Felsenpinguine oder
Goldschopfpinguine. Auch andere Seevögel benutzen den unteren Teil des
Bewuchses zur Brut (
Chloephaga hybrida; Tachyeres brachydactyla;
Cathartes aura).
Im oberen Teil der Pflanze nisten noch eine große Anzahl anderer Vogelarten,
die aber für Pinguine unbedeutend sind, weil sie mit ihnen in keine Konkurrenz
um die einzelnen Büschel treten.
Wie wichtig die Graslandschaft für die örtliche Tierwelt ist, zeigt das Verschwinden
von vielen Arten dort, wo der Mensch sie gerodet hat, um Weideland
für Schafe zu schaffen. Oftmals wird das Gras einfach in Brand gesteckt,
um die Fläche kultivieren zu können oder um Robben zur Jagd aus ihrem
Versteck zu treiben.
Häufiger fallen dabei auch andere Tiere dem Feuer zum Opfer und selbst
diejenigen, die flüchten können sind für die Zukunft ihrer Tarnung
und ihres Brutplatzes beraubt. Die eigenen Überlebenschancen und die
der Nachkommen sinken drastisch, wenn der Schutz vor Räubern entfällt,
den das Versteck im Gras bietet. So verschwinden ganz allmählich
mit dem Gras auch die früheren Bewohner - unter ihnen
ebenfalls die Pinguine. Das gilt auch für andere Regionen wie Neuseeland, wo zwar
kein
Poa flabellata gedeiht, aber andere Gräser dessen wichtige Rolle übernehmen.
So besteht ein wichtiger Bestandteil des Pinguinschutzes im Erhalt und Regeneration dieser
Graslandschaften in Küstennähe.